Rezension: „Sons of Norway“

SON_Plakat_07_Layout 1Norwegen 1979. Nach dem Unfalltod seiner Mutter verliert der junge Nikolaj den Boden unter den Füßen. Während sein Vater dem Tod der Mutter mit Lethargie begegnet, findet Nikolaj in der Punk-Bewegung seinen Trost. Als Nikolaj aufgrund eines Flaschenwurfs auf den Schuldirektor Ärger bekommt, erwacht der Vater aus seiner tiefen Depression. Der überzeugte Hippie stellt sich bedingungslos hinter Nikolaj und zeigt plötzlich ebenfalls großes Interesse am Punk. Was für Nikolaj nicht unbedingt erfreulich ist, denn wogegen kann er sich auflehnen, wenn der eigene Vater für alles Verständnis hat und den Sohn an Wildheit noch locker übertrifft?

SonsOfNorway(c)AlamodeFilm1Um gleich vorweg mit einem Missverständnis aufzuräumen: „Sons of Norway“ ist keine Komödie und auch kein Feel-Good-Movie. Obwohl die Inhaltsangabe und das Filmplakat darauf schließen lassen könnten. „Sons of Norway“ ist einerseits eine klassische Coming-of-Age-Geschichte, wie auch ein Film über Trauerarbeit. Natürlich gibt es in „Sons of Norway“ viele Szenen, die einen schmunzeln lassen. Aber es werden bewusst keine Schenkelklopfer produziert, sondern der Humor ergibt sich ganz natürlich aus der Handlung und oftmals liegt eine gewisse Melancholie darunter.

SonsOfNorway(c)AlamodeFilm5Drehbuchautor Nikolaj Frobenius hat mit „Sons of Norway“ seinen eigenen – scheinbar autobiographischen – Roman verarbeitet und in Regisseur Jens Lies, der bereits mit dem vielfach ausgezeichneten „Anderland“ für Furore sorgte, einen kongenialen Partner gefunden. Lien kleidet die Geschichte mit viel Fingerspitzengefühl und einer großartigen Besetzung (Sven „Elling“ Nordin, der junge Åsmund Høeg und – leider viel zu kurz – die schöne Sonja Richter) in bewegende Bilder. Vielleicht wird die Welt des Punks etwas zu eindimensional und stereotyp dargestellt. Die Punks wirken nicht echt, sondern eben wie Leute, die sich als Punks verkleidet haben und sich jetzt in die zu erwartenden Posen werfen. Andererseits kann man dies auch als Kritik an all denjenigen auffassen, die Ende der 70er Punk als Attitüde für sich entdeckten, aber innerlich nicht wirklich dahinterstanden. Als Beispiel sei hier der von Trond Nilssen verkörperte Anton genannt, der einerseits den Punk-Prototyp verkörpert und gerade darum für Nikolaj zum großen Vorbild wird. Der allerdings auch– das wird in einer späteren Szene deutlich – vorrangig an seiner Musikkarriere interessiert und von seinem Punk-Publikum nicht gerade begeistert ist. Und Nikolaj wirkt in seiner Punk-Kostümierung, mit Sicherheitsnadel durch die Wange, weiterhin wie der nette Junge von Nebenan, der sich zum Fasching als Punk verkleidet hat.

SonsOfNorway(c)AlamodeFilm2Neben dem Wunsch, sich von seinem ultraliberalen Hippie-Vater zu emanzipieren, bietet ihm der Nihilismus der Bewegung vor allem auch die Möglichkeit, seine Trauer über den unverständlichen, ja zutiefst ungerechten, Tod der Mutter zu überwinden. Und hier liegt die große Tragik der Geschichte. Magnus versteht nicht, was mit seinem Sohn los ist. Er kann nicht sehen, was dieser braucht oder besser gesagt, gerade nicht braucht. Er braucht einen Vater, mit dem er seine Trauer teilen kann, keinen Kumpel, der scheinbar die Mutter vergessen hat. Magnus droht seinen Sohn förmlich zu ersticken, indem er ihm keine Reibungsfläche bietet. Was Nikolaj auch anstellt, Magnus hat dafür Verständnis und treibt es sogar noch doller. Wie soll man rebellieren und seinen eigenen Weg finden, wenn – egal was man tut – der Vater immer wieder der noch größere Rebell und Anarchist ist? Es ist schier zum Verzweifeln und auch, wenn diese Situation immer zu komischen Szenen führt, so gefriert einem doch ab und an das Schmunzeln. Welchen größeren Albtraum gibt es für einen pubertierenden Sohn, als wenn sich sein Vater mit dem von ihm begehrten Mädchen amüsiert oder sich beim ersten Konzert seiner Punkband hinter die Drums setzt.

SonsOfNorway(c)AlamodeFilm6Dass in diesem Film Punk nur durch eine einzige Band, nämlich den „Sex Pistols“, repräsentiert wird, und es scheinbar in den 70ern gar keine andere Punk-Band gab, liegt wahrscheinlich am Mit-Produzenten, Ex-Pistols-Sänger Johnny Rotten. Und das erklärt auch seinen etwas skurrilen Auftritt am Ende des Filmes, wenn er dem jungen Nikolaj gute Ratschläge gibt. Das wirkt dann doch etwas weit hergeholt und wurde scheinbar nur eingebaut, um Herrn Rotten, der hier als Chefvordenker der Punk-Bewegung glorifiziert wird, einen Gefallen zu tun. Andererseits sind die vielen Pistols-Songs aber auch effektvoll in den Film eingebaut, da kann man diese Eindimensionalität auch mal verzeihen,

„Sons of Norway“ ist ein sehr gefühlvolles, sympathisches – aber auch trauriges Coming-of-Age-Drama. Die zahlreichen humorvollen Szenen sind dabei kein Selbstzweck, sondern fügen sich nahtlos in die Geschichte ein, wobei man jederzeit die Verzweiflung des jungen Protagonisten Nikolaj spüren kann. Lediglich das Punk-Umfeld wird zum Teil zu stereotyp gezeichnet, was aber auch in der Absicht des Regisseurs gelegen haben kann.

Ich hätte hier gerne die DVD von Alamode besprochen, leider lag mir nur eine Presse-DVD im falschen Bildformat, auf Norwegisch mit englischen Untertiteln und ohne Extras/Menue etc. vor.

Dieser Beitrag wurde unter DVD, Film, Filmtagebuch abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.