DVD-Rezension: “Blood Letter – Schrift des Blutes”

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Tran Nguyen Vu überlebt als Kind das Massaker an seiner Familie durch die Königinmutter Tuyen Tu Hoang. Er wächst bei einem Mönch auf, der ihm die Kunst des Kampfes beibringt. Als Nguyen Vu die Wahrheit über das Schicksal seiner Familie erfährt, beschließt er sich zu rächen. Zu selben Zeit machen Gerüchte über die Existenz eines Blutbriefes die Runde. Geschrieben wurde dieser von einem sterbenden Eunuchen des Palastes, und sein brisanter Inhalt würde Tu Hoang kompromittiert und vom Thron stoßen. Nguyen Vu macht sich zusammen mit der Kämpferin Hoa Xuan auf, den Blutbrief zu finden. Doch auch andere Parteien sind bereits auf der Suche und kennen keine Skrupel, um ihr Ziel zu erreichen…

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Blood Letter“ wird als erstes großes Martial-Arts-Epos aus der Volksrepublik Vietnam angepriesen. Tatsächlich scheint es die erste große, und für vietnamesische Verhältnisse recht hoch budgetierte, Produktion aus dem asiatischen Land zu sein. Vietnam ist nun nicht gerade für seine Filmindustrie berühmt. Vielleicht gingen die Macher dieses Filmes deshalb auf Nummer Sicher und orientierten sich deutlich an dem, was aus den international erfolgreichen asiatischen Filmländern Hongkong/China, Südkorea oder sogar Taiwan kommt. Ein eigenständiges Flair besitzt „Blood Letter“ nämlich leider nicht. Im Gegenteil, statt auf eine innovative Geschichte zu setzen, werden vor allem Standards aus Filmen wie „Hero“, „House of Flying Daggers“ oder „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ kopiert. So hat man vor allem das Gefühl, all das schon tausendmal gesehen zu haben. Allein die beeindruckende vietnamesische Landschaft erinnert daran, dass dieser Film eben nicht aus einem der oben genannten Länder kommt.

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Die durch zahlreiche Nebencharaktere unnötig verkomplizierte, aber an sich recht simple, Rachegeschichte ist ein alter Hut. Diese leidet außerdem zu Beginn noch darunter, dass in einem mythischen Prolog so schlechte CGI – und Spezialeffekte eingesetzt werden, dass man am liebsten erschrocken den Aus-Knopf drücken möchte. Danach läuft die Geschichte dann aber wieder auf altbekannten Bahnen weiter und verzichtet erst einmal auf solche technische Sperenzchen. Leider schafft es Hauptdarsteller Huynh Dong dabei aber, zu keiner Zeit echtes Charisma zu entwickeln. Er wirkt dafür zu brav und uninteressant. Seine beiden weiblichen Mitspielerinnen machen ihre Sache nur geringfügig besser, wobei zumindest die junge Midu in der Rolle einer jungen, rachesuchenden Schwertkämpferin, neben einem gewissen Nervfaktor, auch ein sehr süßes Aussehen mitbringt. Heimlicher Star des Filmes ist der (leider trotz intensiver Recherche im Internet namenlos gebliebene) Darsteller des bösen Schurken. Der glatzköpfige und durch eine Narbe im Gesicht entstellte Handlanger der bösen Königin ist ein echtes Highlight. Jederzeit bedrohlich und von einer geierhaften Aasigkeit, stiehlt er dem Helden locker die Schau. Jeder Auftritt dieses – irgendwie an Darth Maul aus „Star Wars: Episode 1“ erinnernden – Bösewichts ist von exquisiter Gefährlichkeit. Alle andern Nebendarsteller spielen solide, ohne großartig zu glänzen.

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Während andernorts vor allem die von Johnny Tri Nguyen choreographierten Kampfszenen gelobt werden, fand ich diese doch eher enttäuschend. Zum einen sieht man deutlich, dass die Darsteller nicht aus dem „Genre“ stammen und ihre Bemühungen leicht ungelenk wirken, andererseits wird aber auch übermäßig häufig versucht, diesen Makel durch einen unverhältnismäßigen Einsatz von Seilen, erhöhter Geschwindigkeit und Computertricks zu kaschieren. Natürlich wirken einige dabei entstandene Bilder dynamisch, z.B. wenn der Getroffene nach einem Schlag, wie in einem Zeitlupen-Ballett durch die Luft segelt. Andererseits fehlt den Kämpfen aber auch jede Bodenhaftung und sie wirken nicht spielerisch leicht, wie z.B. ihr chinesisches Pendant. Die Regie unternimmt auch gar nicht erst den Versuch, die Figuren so wirken zu lassen, als ob sie tatsächlich meterhoch durch die Luft springen könnten. Es sieht ganz einfach nach dem aus, was es ist: Menschen, die an einem Seil durch die Luft gezogen werden. Leider gilt dieses Manko auch für viele teurere Produktionen aus China und Südkorea, und man sehnt sich doch sehr danach, endlich mal wieder einem echten Kampf-„Künstler“ bei der Arbeit zusehen zu können. Dazu muss man aber wohl nach Thailand ausweichen, wo ein Tony Jaa gerade durch die beeindruckende Echtheit seiner Kämpfe Furore macht.

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Das erste große Martial-Arts-Epos aus Vietnam bewegt sich auf ausgetretenen Pfaden. Innovationen oder einen eigenständigen Stil sucht man vergebens. Dafür kann der Film mit einem hervorragenden Schurken und der eindrucksvollen vietnamesischen Landschaft punkten.

Das Bild der Splendid-DVD ist ein Tick schlechter als bei anderen Produktionen, was aber einerseits am Ausgangsmaterial liegen dürfte und andererseits immer noch sehr gut ist. Die Synchronisation ist gewohnter Standard. Extras sucht man (bis auf den Trailer) allerdings vergeblich.

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2 Antworten zu DVD-Rezension: “Blood Letter – Schrift des Blutes”

  1. Heinz Küngens sagt:

    Für einen ersten Film dieser Art aus Vietnam ist das Ergebnis grandios. Vergleichen Sie die ersten Filme aus den von Ihnen genannten Ländern, dann relativiert sich Ihr Eindruck.

    Traditionelle vietnamesische Filme würden es schwer schaffen international akzeptiert zu werden. Dazu müsste man die Kultur Vietnams mit seiner Eigenart gut kennen. Vergleichbar mit dem vietnamesischem Essen.

    Die Schauspieler die von Ihnen eine schlechte Note erhalten haben, kommen aus dieser Tradition, und sie stellen genau hier eine Andersartigkeit dar, die Sie noch nicht wahrnehmen. Aber eine Sache haben Sie richtig erkannt, nämlich die Landschaft.

    Der Bösewicht entspricht mehr dem Bild aus dem Genre. Daher ist es auch leichter diese Figur zu akzeptieren. Johnny Tri Nguyen und seine Truppe haben meiner Meinung nach den Film in Vietnam seit „The Rebel – Dong Mau Anh Hung“ verändert. In vielen traditionellen Filmen werden vermehrt Kampfkunstszenen eingebunden.

    Natürlich wissen die Macher bestimmt auch wie man Dinge noch besser machen könnte. Aber die werden wahrscheinlich das Problem genauso sehen wie ich: nämlich wenn man mit dem Fahrradfahren anfängt, kann man nicht gleich mit seinem Können Rennen bestreiten. Auch wenn man hochtalentiert ist!

    Anmerkung 1: Man experimentiert noch.
    Anmerkung 2: Der Bösewicht in dem Film müsste Khuong Ngoc sein.

    🙂

  2. Marco Koch sagt:

    Hallo Heinz,

    vielen Dank für den Kommentar und die erläuternden Worte. Was mich bei „Blood Letter“ enttäuscht hatte, war vor allem, dass man sich bei der ersten größeren Produktion dieser Art gleich bedingungslos an die bekannten Vorbilder aus HK oder Südkorea gehangen hat, ohne seine eigene Identität einzubringen. Ich stimme zu, dass man erst einmal etwas experimentieren muss. Gerade deshalb finde ich es so schade, dass „Blood Letter“ gleich mit den ganz Großen mitspielen will und dadurch zu einer billigen – und seien wir ehrlich, nicht besonders originellen – Kopie verkommt. Da wäre mit etwas weniger falschem Ehrgeiz und ein wenig mehr Eigenständigkeit mehr drin gewesen. Das erinnert mich an deutsche Filmemacher, die immer gleich auf Hollywood machen wollen, statt fehlendes Budget mit originellen Ideen auszugleichen. Aber natürlich bin ich sehr gespannt, was da in Zukunft noch aus Vietnam kommt.

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