DVD-Rezension: “The Viral Factor”

Bei einer geheimen Operation in Jordanien wird eine chinesische Elite-Gruppe durch einen Verräter (Andy On) in eigenen Reihen in einen Hinterhalt gelockt. Dabei wird ein tödliches Virus gestohlen und das halbe Team erschossen. Der Polizist Jon (Jay Chou) wird dabei von einer Kugel in den Kopf getroffen. Diese soll, laut Ärzten, in den nächsten paar Tagen zu einer kompletten Lähmung und dadurch schließlich zum Tod Jons führen. Jon zieht sich aus dem aktiven Dienst zurück und besucht seine Mutter in Beijing. Dort erfährt er ein lange gehütetes Geheimnis: Jon hat einen Bruder, der bei seinem Vater in Malaysia lebt. Daraufhin reist Jon nach Kuala Lumpur, um dort seine Familie aufzuspüren. Kaum ist er in Kuala Lumpur angekommen, wird die Medizinerin Rachel (Lin Peng) – mit der er sich auf dem Flug befreundet hatte – vor seinen Augen entführt. Und der Anführer der Kidnapper ist ausgerechnet sein älterer Bruder Yeung (Nicholas Tse). Jon findet schnell heraus, dass das alles mit dem in Jordanien gestohlenen Virus zusammenhängt und die Zeit tickt…

Dante Lam wurde in den letzten Jahren als Zukunft des Hongkong-Chinesischen Actionkinos gehypt. Seine Filme „The Stool Pigeon“ und „Beast Stalker“ stehen sehr hoch in der Fangunst. Nun hat er von seinem Produzenten ein, für Hongkong-Verhältnisse, sehr hohes Budget in die Hand gedrückt gekommen und damit den Auftrag, einen Mega-Action-Blockbuster zu drehen. War er damit erfolgreich? Schaut man auf die beeindruckenden Actionszenen und den hohen Aufwand, müsste man sagen: Ja.

The Viral Factor“ kann es locker mit Hollywood-Produktionen, vor allem denen aus der Michael-Bay-Schmiede aufnehmen. Die Kameraführung ist elegant, die Actionszenen rasant und atemberaubend umgesetzt. Ständig hämmert ein bombastischer Soundtrack, der sich stark nach Hans-Zimmer-Hollywood anhört. Hier wird geklotzt und nicht gekleckert und das sieht man dem Film auch an.

Besonders angenehm fällt dabei ins Auge, dass relativ wenig CGI, und wenn eher unauffällig, eingesetzt wurde. Wenn sich Autos überschlagen, dann tun sie das wirklich. Jagen sich Hubschrauber durch ein Labyrinth von Wolkenkratzern, dann hat man nicht das Gefühl, dass das alles aus dem Rechner stammen würde. „The Viral Factor“ ist bigger-than-life und ständig drängt der Film nach vorne, so dass er – trotz seiner Spielzeit von 117 (nicht wie auf dem Cover angegeben 123) Minuten – förmlich am Zuschauer vorbeifliegt.

Für die beiden Hauptrollen wurden wieder, in ihrem Heimatland populäre, Canton-Pop-Sänger gewonnen. Dante Lams Lieblingshauptdarsteller Nicholas Tse als böser Bruder macht seine Sache dabei wirklich gut und entwickelt ein ganz eigenes Charisma. Was man vom hamstergesichtigen Jay Chou leider nicht behaupten kann. Er bleibt blass und unglaubwürdig. Viel zu wenig bekommt man leider vom Schurken des Stückes zu sehen, der von Andy On mit einem guten Gespür für schmierige Gefährlichkeit gegeben wird.

Probleme stellen sich aber ein, wenn man ein Blick auf das Drehbuch wirft, welches sich vor allem aus den ältesten Klischees des Heroic-Bloodshed-Genres bedient. Der gute Gute und der gute Böse, – hier Brüder – die nicht ohne einander können. Das kennt man aus der Hochzeit eines John Woo (z.B. in „The Killer“) oder Ringo Lam („Full Contact“). Schwerer wiegt es allerdings, dass sich das Drehbuch einmal zu oft auf haarsträubende Zufälle verlässt. Da fährt z.B. der Hauptschurke zufällig in Kuala Lumpur an der Nase des Helden vorbei oder ist der erste Mensch, dem der Held begegnet, gleich sein Bruder, den er zuvor noch nie gesehen hat. Und wenn die beiden miteinander kämpfen, fällt zufällig die Brieftasche des einen so aus der Tasche, dass der andere, kurz vorm Durchziehen des Abzugs, ein kleines Familienfoto sieht. Das ist einfach ärgerlich, könnte man aber vielleicht noch verzeihen, wenn das Drehbuch sein Potential ausschöpfen würde. Aber wichtige Plotelemente werden während des Filmes einfach vergessen (die Wissenschaftlerin, die gleichzeitig love interest des Helden ist, verschwindet z.B. für einige Zeit einfach aus der Handlung) und dramatische Elemente einfach links liegen gelassen.

Zunächst wird ein großes Bohei darum gemacht, dass  Jon eine Kugel im Kopf hat, die kontinuierlich seine Motorik lähmen und dadurch schließlich innerhalb weniger Tage töten soll. Wie so etwas richtig gemacht wird, weiß man spätestens, seit Howard Hawks dem alten Cowboy John Wayne in dem Meisterwerk „El Dorado“ ein ähnliches Schicksal zumutete. Während der Cowboy dadurch in wichtigen Augenblicken gehandikapt ist und dies der Handlung eine zusätzliche Dramatik beschwert, kümmert sich Jon kein Stück um seinen nahen Tod. Im Gegenteil, er kämpft, sprintet und schießt, als ob er niemals von dieser Kugel getroffen worden wäre. Sogar im großen Finale spielt dieser Aspekt keine Rolle. Obwohl seit der tödlichen Diagnose bereits Tage vergangen sind – und er bereits unter zahlreichen Ausfallerscheinungen leiden sollte – benimmt sich Jon wie ein Fisch im Wasser und kann es problemlos mit Heerscharen von Gegnern aufnehmen. Was nicht unbedingt stören würde, wäre dieses Element nicht zu Anfang so groß aufgebaut worden.

Aber so geht es mit vielen Details. Dass der Schurke einst Jons Kollege war und dessen Freundin auf dem Gewissen hat, ist in der weiteren Geschichte genauso irrelevant, wie die Tatsache, dass sein Bruder zuvor wie ein Mähdrescher durch unschuldige Personen gepflügt ist, bis er sich plötzlich vom Saulus zum Paulus wandelte.

Im Drehbuch ist somit durchaus das  Potential für große, dramatische Effekte angelegt, es wird aber überhaupt nicht genutzt. So bleibt „Viral Factor“, unter seiner wirklich beeindruckenden Oberfläche, leider doch flach und trashig.

Die DVD von Splendid überzeugt mal wieder mit einem guten Bild und dynamischem Ton. Die Synchronisation ist zwar nur mittelmäßig, stört aber nicht allzu sehr. Zumal auch der O-Ton mit guten Untertiteln an Bord ist. Als Extras wird ein in sechs Segmente aufgeteiltes, 12-minütiges Making-Of angeboten, welches nicht viel Aussagekraft hat und neben den üblichen Interviews – die erzählen, wie toll der Film ist und wie herausfordernd die Rollen – einige Einblicke in die Dreharbeiten gibt.

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