DVD-Rezension: “Juan of the Dead”

Juan (Alexis Díaz de Villegas) ist ein Kleinkrimineller und Lebenskünstler, der sich mit seinem besten Freund Lazaro (Jorge Molina) mit kleinen Tricksereien und Diebstählen über Wasser hält. Eines Tages geschehen auf seinem geliebten Kuba merkwürdige Dinge. Die Toten stehen wieder auf und fallen über die Lebenden her. Laut Staatsfernsehen handelt es sich um von den USA unterstützte Dissidenten, aber die Regierung habe die Lage unter Kontrolle. Dass dem nicht so ist, müssen Juan und seine Freunde allerdings bald am eigenen Leib erfahren. Mit Paddeln und Macheten bewaffnet, machen sie sich daran, die Situation  zu Ihren Gunsten zu nutzen…

Ein Zombiefilm aus Kuba. Allein das ist schon ein Unikat. Was kann man da erwarten? Das Cover verspricht zunächst einmal nicht viel. Einen billigen Trashstreifen vielleicht. Und der Titel „Juan of Dead“? Der spielt doch sicherlich auf die britische Komödie „Shaun of the Dead“ an. Somit ist die Erwartungshaltung deutlich reduziert, und zwar auf ein billiges „Shaun“-Ripp-Off mit Exoten-Bonus. Wären da nicht die zum Teil euphorischen Kritiken gewesen und die generelle Neugier, wie wohl ein blutiger Genrefilm aus Kuba aussieht, wäre „Juan of the Dead“ wahrscheinlich nie in meinen Player gewandert.

Und das wäre durchaus ein Verlust gewesen, denn der von Alejandro Brugués inszenierte „Juan of the Dead“ entpuppte sich als humoriger, intelligent gemachter Zombiespaß, dessen politische und systemkritische Grundierung sich kein Stück hinter George R. Romeros legendärer „Dead“-Trilogie (mittlerweile ja zu einem Sextett angewachsen) verstecken braucht. Der Humor in „Juan“ ist ausgesprochen derb und oftmals sexuell aufgeladen. Ganz im Gegensatz zu dem eher feinen und schwarzen Humor aus „Shaun“. Mit diesem verbindet „Juan“ nun zwar die Personenkonstellationen (ein lethargischer Held, der über sich hinauswächst, plus sein etwas dümmlicher Freund, um die herum sich ein Gruppe kampfbereiter Überlebender scharrt), trotzdem sind beide Filme grundverschieden.

Juan ist ein Kleinkrimineller und Tagedieb von ungefähr 50 Jahren, der in jeder Situation seinen Vorteil erkennt und daher auch sonst keine großen Skrupel entwickelt, aus der Zombie-Apokalypse eine Geschäftsidee zu machen. Sein Darsteller Alexis Díaz de Villegas kommt vom Theater und seine leicht eigentümliche Gesichtsphysiognomie qualifiziert ihn nicht unbedingt zum Helden. Juan ist auch kein Held. Ein Frauenheld, ja. Und ein Patriot. Was aber nicht heißt, dass er das Castro-System unterstützen würde. Ganz im Gegenteil. Aber er liebt Kuba und findet immer gute Gründe dafür, hier nicht wegzugehen. Auch wenn das Leben dort Stück für Stück zur Hölle wird. Da braucht es keine großartige Interpretation, für wen die geistlosen Zombies wohl stehen mögen. Es kann einen nur wundern, wie der Film im kommunistischen Castro-Kuba überhaupt entstehen konnte. „Juan of the Dead“ bezieht deutlich Stellung gegen das System. So wird im Film z.B.  von der Regierung über die staatlich kontrollierten Medien – trotz besseren Wissens – permanent verbreitet, dass es sich bei den Zombies um von den USA unterstützte Dissidenten handeln würde und die Regierung die Lage selbstverständlich vollkommen unter Kontrolle hätte.

Es ist gewiss keine kleine Hinterhofproduktion. Im Vergleich zu Hollywood sieht man zwar das geringe Budget, aber für einen kubanischen Film steckt da doch eine ganze Menge Geld drin. Es gibt eine Vielzahl von Statisten und die – in der zweiten Hälfte des Filmes häufig eingesetzten – CGI-Effekte sind zwar deutlich als solche zu erkennen, aber sicherlich auch nicht ganz billig gewesen. Generell mag ich ja keine CGI, aber hier verzeihe ich dem Film deren massiven Einsatz. Ohne diesen wäre es für eine kubanische Produktion sicherlich nicht möglich gewesen, Havanna in eine postapokalyptische Landschaft zu verwandeln.

Der Humor ist, wie gesagt, derb und zielt oftmals unter die Gürtellinie. Aber das fügt sich gut in die Geschichte und das von Armut gezeichnete Milieu der Protagonisten ein. Einige Dinge sind vielleicht etwas überzeichnet, wie z.B. das merkwürdige Pärchen, das aus einem Transsexuellen und einem tumben Muskelprotz, der kein Blut sehen kann, besteht. Auch der plötzlich auftauchende Amerikaner (im Original unschwer als englischsprechender Einheimischer mit schwerem spanischen Akzent zu erkennen) ist völlig irrelevant und wird nur für zwei Gags gebraucht. Von diesen erinnert der erste allerdings– eine Massenenthauptung  – in seiner überdrehten Art fast schon an den legendären Splatter-Spaß „Braindead“.

Davon abgesehen nimmt „Juan of the Dead“ seine Geschichte und vor allem seine Figuren aber sehr ernst. Vor allem Juan wird als ein echtes menschliches Wesen gezeigt und ist, bei aller Absurdität, fest in der kubanischen Wirklichkeit verankert. Dem Horrorfilmfan werden sicherlich einige Zitate aus anderen Genreklassikern auffallen (z.B. der Unterwasser-Zombie aus „Zombi 2“ oder die an Michelle Rodriguez in „Resident Evil“ erinnernde Tochter Juans.). Doch „Juan of the Dead“ lebt nicht von diesen Referenzen allein, sondern funktioniert hervorragend als eigenständiger Film mit einer politischen Botschaft. Während alle anderen Kubaner per Boot in die USA fliehen (wie es in der Realität tatsächlich Tausende getan haben → siehe Brian DePalmas „Scarface“), bleibt Juan zurück, um das Übel in seinem geliebten  Land zu bekämpfen. Auch wenn er keine Chance hat, ein Anfang muss getan werden. Und wer das Übel ist, wird spätestens dann klar, wenn einer der Hauptcharaktere sinngemäß sagt: „Wenn ich irgendwann einmal in einem Land bin, in dem die Bewohner noch nie etwas von Castro gehört haben, habe ich meine neue Heimat gefunden.“

Die bei Pandastorm Pictures im Vertrieb von Ascot Elite erschienene DVD hat ein meiner Meinung nach etwas zu helles und nicht 100% scharfes Bild, was aber durchaus auch auf das Originalmaterial zurückzuführen ist. Da der Film auch in einigen deutschen Kinos gelaufen ist, wurde ihm eine kompetente Synchronisation verpasst, bei der Juan allerdings eine zu junge Stimme hat. Generell sollte man gerade hier die Originalfassung vorziehen, da diese zum Lokalkolorit des Filmes beiträgt. Als Extras gibt es zwei zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommene Interview-Sequenzen mit Alejandro Brugués und seinen Hauptdarstellern (6 und 13 Minuten lang), die recht interessant sind, obwohl man sich noch etwas mehr Tiefe und Information gewünscht hätte. Ferner  kann man noch einige Einblicke in „Behind the scenes“ nehmen, die insgesamt 11 Minuten dauern.

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