Nachruf: Tony Scott (1944-2012)

Tony Scott ist tot. Die Nachricht traf mich heute morgen ziemlich. Tony war der kleine Bruder von Ridley Scott und stand – meiner Meinung nach völlig ungerechtfertigt – immer in dessen großem Schatten. Dabei war Tony eigentlich der zuverlässigere von beiden. Während Ridley mit großen und ambitionierten Projekten oftmals eine kommerzielle und künstlerische Bauchlandung („White Squall„, „Die Akte Jane„) hinlegte, waren Tonys Filme – wenn auch keine allgemein anerkannte Klassiker wie „Alien“ oder „Blade Runner“ darunter waren – von zumeist gleichbleibend hohem Niveau. Und sollte einer seiner Filme mal keinen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, unterhielten sie aber immer noch spannend und handwerklich sauber. Auch vor Experimenten schreckte Tony Scott nicht zurück und ließ 2004/2005 mit „Man on Fire“ und „Domino“ wahre Bildertornados mit schrägen Ideen auf das unvorbereitete Publikum los, welches diese Filme entweder mit Unverständnis oder großem Jubel (zur letzteren Fraktion gehörte ich) in die Arme schloss.

Schon mit seinem Spielfilmdebüt, der Vampir-Tragödie „Begierde“ von 1983, zeigte Tony Scott, dass er weit mehr war, als nur der „kleine Bruder“. Noch heute ist das, mit Catherine Deneuve, Susan Sarandon und David Bowie genial besetzte Werk, einer der schönsten Vampirfilme überhaupt. 1986 folgte der große Durchbruch in die A-Liga der Regisseure: „Top Gun“ wurde einer der Filme, welche das Lebensgefühl der 80er definierten. Scotts Stil inspirierte zahlreiche Nachahmer, die aber nie seine Perfektion erlangten. Mit „Beverly Hills Cop 2“ und „Tage des Donners“ lieferte er solide Ware ab und festigte seinen Ruf als Routinier.

Aber die Meisterwerke sollten noch folgen: Mit dem Neo-Noir „Last Boy Scout“ (1991, bis heute mein liebster Bruce-Willis-Film, noch vor „Stirb langsam„) brannte er ein Coolness-Feuerwerk sondergleichen ab und blieb trotzdem den Wurzeln des Film Noir treu. „True Romance“ (1993), nach dem Drehbuch des damals noch unbekannten Quentin Tarantino, ist voll mit unvergesslichen Szenen, für die sich Scott auch schon mal bei John Woo bediente, und war der erste waschechte Tarantino-Film – ohne dass Tarantino hinter der Kamera stand. Weiter ging es mit „Crimson Tide“ (1995), „Staatsfeind Nr.1“ (1998) und „Spy Game“ (2001).

Tony Scott war ein echter „Auteur“, der zwar nicht die Drehbücher seiner Filme verfasste, aber jedem Stoff seinen ganz eigenen Stempel aufdrückte. Einen Tony-Scott-Film erkennt man immer, er ist unverwechselbar. Die konsequente Farbgebung (das kalte Hellblau von „Staatsfeind Nr.1“ oder das kräftige Orange, welches seine frühen Filme prägte. Die innvovativen Schnitte und seine Hauptfiguren. Profis allesamt, die an die Hawks’schen Helden gemahnen.

Bei „Man on Fire“ hatte er dann „seinen“ Hauptdarsteller gefunden. Mit Denzel Washington sollte er seine letzten drei Filme drehen: „Deja Vu“ (2006), „Die Entführung der U-Bahn Pelham 1 2 3“ (2009) und „Unstoppable – Ausser Kontrolle“ (2010). Der am 21. Juni 1944 in Northcumberland geborene Tony Scott setzte seinem Leben gestern durch einen Sprung von der Vincent-Thomas-Brücke in San Pedro, Los Angeles, aus bisher unbekannten Gründen ein Ende. Er wird fehlen.

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