Rezension: „The Amazing Spider-Man“

Nachdem seine Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen, wächst Peter Parker bei seinem Onkel Ben und seiner Tante May auf. In der Schule hat er es nicht leicht. Er ist heimlich in die schöne Gwen Stacy verliebt und wird von deren Freund Flash gerne mal als Punchingball benutzt. Eines Tages entdeckt er im Keller zufällig die alte Aktentasche seines Vaters und darin versteckt eine geheimnisvolle Formel. Auf der Suche nach Antworten schleicht er sich in das Labor von Dr. Curt Connors ein, der einst mit seinem Vater zusammenarbeitete. Dr. Connors leitet die Wissenschaftsabteilung des mächtigen Oscorp-Konzerns. Bei seinen Nachforschungen gerät Peter in ein Labor voller Spinnen. Er wird von einem dieser Krabbeltiere gebissen und entwickelt in der Folge übermenschliche, spinnenartige Fähigkeiten.

Eigentlich hatte ich mich schon darauf eingerichtet, dass hier ein großer Verriss folgen wird. Der Idee, das Spider-Man-Franchise gerade mal 10 Jahre nach dem ersten Film und nur fünf Jahre nach dem dritten Film zu „rebooten“, wie es ja seit „Casino Royale“ Mode geworden ist, fand ich schon äußerst fragwürdig. Noch schlimmer hingegen wog, dass das eingespielte, und aus meiner Sicht perfekte, Team Raimi/Maguire auseinander gerissen wurde, weil die Produzenten scheinbar mit einem „erwachseneren“ Ansatz nicht einverstanden waren und lieber mit einem Regisseur, Marc Webb, der vorher nur durch Musikvideos und eine romantische Teenie-Komödie aufgefallen ist, auf Teenager-Fang gehen wollten. Das machte mir den neuen „Spider-Man“ schon von Anfang an unsympathisch, und wäre ich nicht eingeladen worden, hätte ich ihn wohl auch komplett boykottiert und mir lieber noch einmal das „Original“ von 2002 auf DVD angesehen.

Aber ich muss zugeben, dass meine Vorbehalte ziemlich grundlos waren. Natürlich kann man sich noch immer vortrefflich darüber streiten, ob der Film wirklich nötig gewesen wäre, und man nicht doch besser einen vierten Teil mit dem alten Team hätte produzieren sollen. Aber jetzt ist „The Amazing Spider-Man“ nun einmal da und zu meiner Überraschung auch durchaus gelungen. Andrew Garfield übernimmt das Spinnen-Kostüm von Tobey Maguire – der für mich eigentlich die perfekte Besetzung war – und schafft es, dass man während des Filmes Tobey Maguire tatsächlich nicht einmal hinterhertrauert. Andrew Garfield ist nicht nur vom Aussehen und seiner Physis her nicht mit Maguire vergleichbar, sein Zugang zu der Rolle ist auch ein ganz anderer. Während Maguires Peter Parker der unterdrückte, liebenswert ungeschickte Nerd war, so spielt Garfield ihn als linkischen Außenseiter, der ein wenig an James Dean in „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ erinnert. Das funktioniert sehr gut und wird den Comics ebenso gerecht, wie es zuvor Maguires Interpretation war. Auf Fotos, und auch im Trailer, wirkt Andrew Garfield immer einen Tick zu gutaussehend und arrogant. Im Film aber zeigt er sich von einer ganz anderen Seite. Sein Peter Parker ist wirklich ausgesprochen sympathisch, und da es recht lange dauert, bis Peter Parker sich das Spinnenkostüm überstreift, hat er auch ausführlich Gelegenheit, sich als talentierter Schauspieler zu präsentieren und seinen Charakter mit viel Leben zu füllen.

Ähnliches gilt für Emma Stone, die hier Gwen Stacy spielt (im Comic tatsächlich Peter Parkers erste Freundin. Mary Jane Watson, die Kirsten Dunst so überzeugend in der Raimi-Trilogie verkörperte, taucht erst später auf). Die Stone erinnert mit ihren großen Augen und vollen Lippen stark an Heike Makatsch und konnte mich auf Fotos nicht unbedingt überzeugen. Aber auf der Leinwand entwickelt sie schnell eine sehr warme und liebenswürdige Ausstrahlung. Überhaupt wurde bei der Besetzung der Nebenrollen ein gutes Händchen bewiesen. Sally Field als Tante May, und vor allem auch Martin Sheen (der hier irgendwie merkwürdig aussieht… ich hoffe sehr, seine neuen dritten Zähne gehören nur zur Rolle) als Onkel Ben, möchte man am liebsten in den Arm nehmen. Und es ist auch schön, mal wieder den guten, alten Denis Leary zu sehen. Ihn mag ich ja seit der Zeit, als er den Pausenfüller bei MTV (als das noch ein cooler Musiksender war) gab.

Ein nettes Wiedersehen (auch wenn ich ihn nicht erkannt habe) gibt es mit C.Thomas Howell, der einen Kranführer und Vater eines kleinen Jungen spielt, der von Spider-Man gerettet wird. C.Thomas Howell gehörte Ende der 80er Jahren zu DEN jungen und aufstrebenden Teeniestars („The Outsiders„, „Soul Man„, „Hitcher – Der Highwaykiller„) und hätte damals auch ein gutes Potential gehabt, Spider-Man zu verkörpern. Heute ist er zwar sehr gut beschäftigt, spielt aber nur noch in billigen C-Filmen mit. In „The Amazing Spider-Man“ ist er leider in den schwächsten und albernsten Szenen des ganzen Filmes zu sehen. Die Szene um die Rettung seines Sohnes hat man so schon 1000x gesehen, und wenn er im Finale („Hey, das ist der Typ der meinen Jungen gerettet hat“) unter heroischer Musik seine Kollegen antreibt, Spider-Man durch die Ausrichtung ihrer Kräne zu helfen, dann ist das nicht nur lächerlich-pathetisch, sondern am Rande der Parodie und wirkt wie ein Fremdkörper im Film.

Überraschenderweise fällt der sonst so zuverlässige Rhys Ifans als Bösewicht etwas ab. Was ich merkwürdig finde, da Ifans eigentlich ein guter Schauspieler ist, den ich sehr mag. Aber in „The Amazing Spider-Man“ bleibt er seltsam blass und schafft es nicht, seiner Figur die Tiefe zu verleihen. Dr. Curt Connors ist die klassische Jekyll-und-Hyde-Figur. Als Connors ist er – zumindest in den Comics – warmherzig, hilfsbereit und zutiefst verzweifelt über sein böses „Ich“, die Echse. Hier allerdings wirkt Conners von Anfang an wie ein Bösewicht. Kalt, arrogant und skrupellos. Dass angedeutet wird, er hätte eine Rolle beim Tod von Peter Parkers Eltern gespielt, macht die Sache nicht besser. Nein, Mitgefühl kann man für diese Person nicht aufbringen, und damit geht ihr auch einiges an dramatischem Potential verloren. Da wirkt eine edle Tat von ihm am Ende dann auch eher konstruiert und nicht überzeugend aus der Handlung heraus entwickelt. Schade, man hätte dem neuen Spider-Man doch einen komplexeren Gegner gewünscht. Aber der wird wohl für die Fortsetzung aufgespart. Wer zu früh das Kino verlässt, verpasst im Abspann noch eine Szene, in der dieser bereits eingeführt wird. Wer sich da im Schatten befindet, wird zwar offen gelassen, aber es dürfte sich dabei um den beliebtesten Spider-Man-Gegner überhaupt handeln: Norman Osborn alias der „Grüne Kobold“.

Muss man die Entstehungsgeschichte von Spider-Man jetzt unbedingt ein zweites Mal durchkauen? Wäre es nicht besser gewesen, diesen vierten Film an die Vorgänger anzuhängen, statt alles noch einmal ganz von vorne zu erzählen? Nun, gerade im Falle Spider-Man ist der Fan der Comics sowieso schon so einiges gewöhnt. Mir fällt spontan kein anderer Superheld ein, dessen Geschichte so oft neu und umgeschrieben wurde. Wo bei Storylines quasi ständig auf den „Reset“-Knopf gedrückt wird und alle Veränderungen stumpf rückgängig gemacht werden. In mancher Hinsicht erinnern die Spider-Man-Comics häufig an die 9. Staffel von „Dallas“. Daher ist es zu verschmerzen, ja beinahe sogar logisch, dass Spider-Mans Ursprungsgeschichte für den neuen Film abgeändert wurde. Vor allem, da sie sich hervorragend in die aktuelle Geschichte einfügt und gleichzeitig auch die Saat für zukünftige Fortsetzungen sät. Und obwohl sich die Ursprungsgeschichte in manchen Dingen grundlegend von der aus den Comics bekannten unterscheidet – da war der Raimi-„Spider-Man“ sehr viel näher an den klassischen Comics – werden die Eckpfeiler des Spider-Man-Mythos nicht angetastet (Eltern verloren, der Spinnen-Biss, die Geschichte mit dem Einbrecher und Onkel Bens Tod), sondern nur der neuen Geschichte angepasst. Und ganz ähnlich wie in den „Avengers“-Filmen, werden in dieser neuen Ursprungsgeschichte bereits wichtige Puzzleteile für spätere Filme ausgelegt. In der Tat macht „The Amazing Spider-Man“ Lust auf mehr, und man freut sich auf weitere Folgen mit unserem „friendly neighborhood Spider-Man“. Dabei wünsche ich mir sehr, dass dabei der Hauptdarsteller nicht noch einmal ausgetauscht wird und uns der überzeugende Andrew Garfield noch länger unter der Spider-Man-Maske erhalten bleibt.

Die Action-Szenen sind scheinbar überwiegend am Rechner entstanden. Das ist aber auch klar, wenn Spider-Mans Hauptgegner eine 3 Meter große Echse ist. Diese wird heute natürlich nicht mehr von einem Mann im Gummianzug dargestellt. Was ich persönlich allerdings schade finde. Andererseits müssen die spinnenartigen Bewegungen von Spider-Man und seine blitzschnellen Reflexe überzeugend dargestellt werden, was auch nur durch Zuhilfenahme des Computers möglich ist. Die Kämpfe sind allesamt optisch nett umgesetzt (und bieten an einer Stelle Spider-Man-Schöpfer und Comic-Gott Stan Lee Raum für einen charmanten Auftritt), wenn auch nicht übermäßig spektakulär. Gleiches gilt für die 3D-Effekte, die seltsam verhalten eingesetzt werden. Man hat nicht unbedingt das Gefühl, dass der Film die zusätzliche Dimension benötigen würde. Bis auf das wirklich gelungene Schlussbild, welches einen der schönsten 3D-Effekte bietet, die ich in diesem Medium bisher gesehen habe. Die 3D-Projektion im Bremer IMAX ist mal wieder ohne Makel. Die Bilder sind gestochen scharf und nicht zu dunkel. Und der Sound ist L-A-U-T, was bei einem Effektfilm meines Erachtens nach aber immer von Vorteil ist.

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4 Antworten zu Rezension: „The Amazing Spider-Man“

  1. Freak|kaerF sagt:

    Danke, dass du den schon mal angeschaut hast, ich hatte natürlich die selben Befürchtungen.
    Ins Cinemaxx-IMAX kriegen mich aber keine Zehn Pferde mehr. Und zwar genau wegen dieser vier Buchstaben: L-A-U-T.

  2. Marco Koch sagt:

    Hallo Freak|kaerF!
    Bitte, gern geschehen 😉 Lautstärke ist natürlich immer ein subjektives Empfinden. Dazu hatte ich vor Kurzem auch hier mal etwas geschrieben: http://www.filmforum-bremen.de/2012/06/weser-kurier-artikel-uber-die-lautstarke-im-kino/
    Mich selber stört es mehr, wenn ein Film zu leise ist und es mich anstrengt, den Dialogen zu lauschen. Aber wie gesagt – Empfindungssache. Was mich bei meinem „TASM“-Besuch weit mehr verärgert hat, war, dass der IMAX-Saal vorher nicht gereinigt wurde und überall noch Nacho-Reste, umgekippte Popcorn-Tüten (z.T. auf den Sitzen)und halbvolle Cola-Kübel herum standen. Das erlebt man in kleineren Kinos eigentlich nie.

  3. Freak|kaerF sagt:

    Hi,

    stimmt genau. Das, das unfreundliche Personal und Pannen (Licht bleibt minutenlang nach Anfang von Avatar an, wird erst ausgemacht, als jemand Bescheid sagt und geht dann in der Pause nicht wieder an) haben mir das Cinemaxx gründlich unsympathisch gemacht. Ich habe mich da hauptsächlich so häufig aufgehalten, weil ich eine Zeit lang jede Menge Kinogutscheine geschenkt bekam 🙂

    Grüße
    Freak|kaerF

  4. Peter sagt:

    Hi, ich fand den Film richtig klasse. Hat hier jemand ne Ahnung wo man diese Attakus Filmfigur bekommt? http://www.ebay.de/itm/The-Amazing-Spider-Man-limitiert-Figur-Attakus-selten-Spiderman-Mobile-Statue-/261068754393?pt=Figuren&hash=item3cc8e90dd9#ht_922wt_1185 Bitte per PN an mich. Vielen Dank

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