Rezension: “Snow White & the Huntsman”

Nachdem sich die böse Hexe Ravenna in das Herz des Königs Magnus geschlichen hat, bringt sie ihn um und sperrt seine Tochter Snow White im Schloss ein. Snow White wächst zur jungen Frau heran und Ravenna erkennt, dass das Mädchen der Schlüssel ihrer ewigen Jugend ist. Zu Ravennas Leid gelingt es Snow White aber zu fliehen, bevor die böse Königin ihr die Kräfte rauben kann. Snow White flüchtet in den dunklen Wald und Ravenna schickt ihr einen zum Trinker gewordenen Jäger hinterher. Dieser verbündet sich allerdings mit Snow White und hilft ihr auf der Flucht vor den Schergen der Königin.

Das ist er also. Der mittlerweile zweite „Schneewittchen“-Film dieser Saison. Nach „Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen“ mit Julia Roberts als böser Königin und Audrey-Hepburn-Verschnitt Lily Collins als Schneewittchen, sind jetzt Charlize Theron und Twilight-Shooting-Star Kristen Stewart an der Reihe, dem Märchen neues Leben einzuhauchen. „Snow White & the Huntsman“ soll sich durch Düsternis und Dreckigkeit von der bunten „Spieglein, Spieglein“-Welt des Bilderzauberers Tarsem Singh abheben. Was aber herausgekommen ist, ist ein „Herr der Ringe„-Abklatsch mit aseptischem Schmutz, welcher zu keinem Zeitpunkt real, sondern kunstvoll dahindrapiert aussieht. Ein Beispiel gefällig? Immer wieder zeigt die Kamera in Großaufnahme die dreckigen Fingernägel von Snow White. Das soll wohl Realismus simulieren. Klappt aber nicht, wenn die „Schmutzgestaltung“ so aussieht, dass die Nagelränder zwar eine schwarze Linie haben, die Nagelspitzen aber strahlend sauber und perfekt manikürt sind. Dies ist ein Symbolbild für den ganzen Film. Überall wird behauptet, der Film sei nun besonders rau und finster. Aber in Wirklichkeit bietet er doch nur harmlose Familien- und vor allem Teenie-taugliche Unterhaltung. Von einer „echten“ Grimm-Verfilmung ist man hier genauso weit entfernt, wie es Disneys um Welten besserer Zeichentrick-Klassiker von 1937 ist.

Die Kämpfe sehen auf den ersten Blick brutal aus, Blut sieht man in der Regel aber keins. Selbst als einer der Oberbösewichter von unzähligen, abgestorbenen Zweigen durchbohrt wird, fließt es nicht, sondern wird durch ein umfallendes Tintenfass simuliert. Zu keiner Sekunde traut sich der Film, einmal richtig ernst zu machen und voll durchzuziehen. Stattdessen gibt er sich ständig den bloßen Anschein, als ob er eben dies täte. Spätestens aber wenn man feststellen muss, dass die Szene, in der Snow White bei ihrer Flucht aus dem Schloss an einem Strand, zwischen Felsklippen ein weißes Pferd findet, das dort nur auf sie gewartet hat, nicht etwa ironisch, sondern wirklich ernst gemeint ist, sollte man seine Erwartungen auf ein Minimum reduzieren.

Kristen Stewart als Snow White ist eine krasse Fehlbesetzung. Ständig sieht sie so aus, als käme sie geradewegs vom Kostümball einer kalifornischen High School. Zwischen all den anderen, die sich zumindest bemühen so auszusehen, als würden sie tatsächlich in einem britischen (zumindest bemühen sich außer der Stewart alle, einen möglichst britischen Akzent an den Tag zu legen) Mittelalter leben, wirkt sie wie ein Fremdkörper. Noch dazu sind ihre mimischen Möglichkeiten arg limitiert und beschränken sich im Grunde darauf, durch offenen Mund und halb geschlossene Augen melodramatisch zu wirken oder mit zusammengekniffenen Lippen und vorgeschobenem Kinn kämpferisch. Zudem, sollte Schneewittchen nicht schöner sein als die böse Königin? Geht es in der Geschichte nicht im Grunde darum? Nun, gegen die überirdische Schönheit einer Charlize Theron wirkt die Stewart wie ein ganz hübsches Teenie-Girl, dem es aber leider an Ausstrahlung fehlt.

Davon hat Charlize Theron zwar eine ganze Menge, aber die schwache Regie (Debütant Rupert Sanders) weiß damit nichts anzufangen. Was auch die Theron gemerkt haben muss, denn sie wirft sich mit solch einer Inbrunst in Pose, das man zeitweise von grimassieren sprechen muss. Schade, denn dass sie eigentlich eine sehr gute Schauspielerin ist, hat sie in der Vergangenheit oft genug bewiesen. Außerdem ist es problematisch, der bösen Königin eine wehleidige Hintergrundgeschichte zu verpassen und dadurch ihre Bosheit quasi zu entschuldigen. Aber wir sind hier ja in einem Teenie-Film, da darf einfach niemand durch und durch böse sein.

Der Huntsman wird von Chris Hemsworth gespielt, der es gerade durch seine Rolle als Thor im gleichnamigen Film und in den „Avengers“ zu etwas Berühmtheit gebracht hat. Leider kann Hemsworth in „Snow White & the Huntsman“ nicht so glänzen, wie in seiner Paraderolle. Nicht, dass er wirklich grottenschlecht spielen würde, aber er „spielt“ eben. Nie wird er eins mit seiner Figur, immer sieht man einen Schauspieler der vorgibt, jemand anderes zu sein. Auch er also: vergeudet. Und was Prinz Willhelm (Sam Claflin) für eine Aufgabe hat, wird auch nicht klar. Für die Handlung ist er völlig überflüssig und als „love interest“ für Snow White taugt seine Figur auch nicht.

Halbwegs achtbar kann sich gerade noch Sam Spruell als Bruder der bösen Königin aus der Affäre ziehen, wenn er auch hier und da ganz schön überzieht. Aber zu seiner Rolle passt das wenigstens. Und natürlich die acht (!!!) Zwerge, die zum Großteil von bekannten britischen Schauspielern (Bob Hoskins, Eddie Marsan oder Nick Frost) gespielt werden, die dann durch das Wunder der Technik zu Kleinwüchsigen gemorpht wurden. Leider sieht man von ihnen viel zu wenig und einige peinliche Momente wurden auch ihnen nicht erspart (Stichwort: Singen und Tanzen).

Das Schlimmste an „Snow White & the Huntsman“ ist aber, dass er schrecklich langweilt. Immer wieder kommt die Handlung zum Halten, weil irgendjemand ohne großen Elan viele tolle Sätze aufsagen muss, die scheinbar aus dem Drehbuch-Generator stammen. Hohle Phrasen, die wohl bedeutend klingen sollen, aber nur wiederholen, was man in 83 Jahren Tonfilmgeschichte schon x-Mal gehört hat… nur besser. Auch die Schauplätze der Handlung, die Kostüme und die uninspirierte „Wir-sind-mittendrin“-Kameraarbeit hat man schon unzählige Male gesehen. Was man aber so wahrscheinlich noch nicht gesehen hat, ist das „Feenland“. Diesen Kitsch-Overkill inklusive weißem Hirsch, von Pandora importierten bunten Pflanzen und moosbewachsenen Schildkröten, möchte man eigentlich auch gar nicht sehen. Die geschlechtslosen, wie abgemagerte Teletubbies aussehenden Feen, übrigens auch nicht. Dagegen ist der berühmte Disney-Touch schierer Neorealismus. Und natürlich ist diese Szene für die Filmhandlung völlig unerheblich und sorgt nur einmal mehr für Leerlauf.

Aber das ist alles schon viel zu viel Aufregung für solch einen schwachen Film, der seine Versprechen zu keiner Sekunden einhalten kann. Bleibt nur zu hoffen, dass irgendwann jemand den Mut hat und die Gelegenheit bekommt, ein Grimmsches Märchen so zu verfilmen, wie es „Snow White & the Huntsman“ vielleicht ursprünglich mal vorgehabt hat. Bis dahin sollte man diesen, am Reißbrett mit Zielgruppen-Fokus entstandenen, Schnarcher für pubertierende Teenies möglichst meiden.

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