Empfehlenswerter „Zeit“-Artikel von Dominik Graf zum Stand des Deutschen Kinos

Anbei möchte ich einen, meiner Meinung nach, sehr treffenden Artikel empfehlen, den Dominik Graf in der „Zeit“, anlässlich des Deutschen Filmpreises, zum aktuellen Stand des deutschen Kinos geschrieben hat.

Der deutsche Film wirkt trotz seines stetig zunehmenden formalen Könnens in der überwiegenden Masse wie eine Palette von Besinnungsaufsätzen. Der Ton der Filme scheint sich anzugleichen. In der Inszenierung regieren der flach gehaltene Ball, möglichst wenig Filmmusik und das Diktat von (oft grandioser) Authentizität in Schauspiel und Kameraführung. Im Einzelnen ist das imponierend – doch in der Menge ergibt sich ein irritierend monotoner Eindruck. Zu viel Kunst, zu viel gute Absicht? Nicht unproblematisch für die notwendigen Alleinstellungsmerkmale all solcher Filme auf dem Markt. (…)

Es muss vielleicht sogar etwas wie eine neue »Vision« von möglicher Massenware her. Wo sind weltweit boomende Genres wie Fantasy im deutschen Film? Nicht existent. Trotz mindestens einem halben Dutzend erstklassiger hiesiger Romanautoren auf diesem Gebiet. Trotz einer deutschen Fantasy- und Horror-Tradition, die wie der Nibelungenschatz darauf wartet, gehoben zu werden. (…)

Der Verlust an Trivialität ist dramatisch. Die selbst gewählte Seriosität des deutschen Gegenwartsfilms widerspricht der Sehnsucht nach Spektakel, nach brüllendem Gelächter, nach Jahrmarkts-Schock – alles Grundwesenszüge des Kinos. Negiert wird der böse, kreischende Anteil filmischen Erzählens, jener kreativ explosive Todestrieb, der stets auch zu herrlich »schlechten« Filmen führte. (…)

Die heißeste, triefendste, nachgerade verzweifeltet-schönste Kinoleidenschaft findet sich bei uns heute in den Cinephilen-Blogs. Von deren Kenntnis und geschmacklichem Enthusiasmus können die deutschen Filmhochschulen nur träumen. Dort, im Web, tragen die deutschen Filmgötter allerdings ganz andere Namen als in der offiziellen Verlautbarungskultur: Es sind Regie-Ekstatiker wie Will Tremper, Alfred Vohrer, Rolf Olsen, Zbyněk Brynych, Eckhart Schmidt und Klaus Lemke. Hier ist das Reich des Verbotenen, das einst auch noch in Grünwalder Fernsehserien hausen durfte und das nun mit Stumpf und Stiel in der Förderkultur ausgerottet wird. (…)

Quelle: zeit.de

Den vollständigen Artikel „Die Grauen… das Grauen“ findet man unter: http://www.zeit.de/2012/18/Deutscher-Filmpreis/seite-1

Gerade die hier von mir zitierten Passagen sprechen mir doch sehr aus der Seele. Insbesondere den letzte Absatz über die Blog-Kultur kann ich nur unterschreiben. In Blogs und Foren wie Deliria Italiano oder Dirty Pictures mit hunderten von Mitgliedern werden Regisseure wie Vorher, Olsen und vor allem auch Brynych gepriesen. Es stimmt nämlich nicht, dass sich heute niemand mehr für deutsches Kino interessiert. Im Gegenteil, gerade genannte Regisseure werden heutzutage von den Filmfans kultisch verehrt. Und dies nicht erst seit gestern. Und hier ist es gerade interessant, dass von den heute noch aktiven Regisseuren eigentlich nur zwei einen ähnlichen Status besitzen. Nämlich Klaus Lemke und…  Dominik Graf.

Teilt Ihr Grafs Ansichten? Oder liegt er mit seinen Thesen falsch?

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Eine Antwort zu Empfehlenswerter „Zeit“-Artikel von Dominik Graf zum Stand des Deutschen Kinos

  1. PaulKlee sagt:

    Stimmt. An Visionen fehlt es dem deutschen Film total. Das liegt aber auch an der Produktionsweise. Bei fast jedem aktuellen Kinofilm haben sich die TV-Sender beteiligt. Da jeder seinen Beitrag zum Drehbuch gibt, kommt am Ende nur eine weichgekochte Masse heraus, die niemandem weh tut. Auf diese Weise können keine Filme mit Ecken und Kanten entstehen.

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