Filmtagebuch: “Filmforum Bremen” unterwegs – 52. Nordische Filmtage in Lübeck, Tag 1

Mit wenigen Tagen Verspätung, hier mein kleiner Bericht über die 52. Nordischen Filmtage in Lübeck.

Diese fanden zwischen dem 03. und 07. November statt. Da ich vorher beruflich eingespannt war, konnte ich erst am Donnerstagabend, also den 04.11.,  zusammen mit meiner Frau anreisen und geriet dabei gleich ein wenig in Stress.

Mein Zug erreichte Lübeck um 18:00 Uhr, das Pressebüro, wo ich meinen Akkrediertungsausweis abholen wollte, schloss aber schon um 19:00 Uhr. Da ich das erste Mal in Lübeck war und keine Ahnung von den Wegstrecken hatte, geschweige denn, wie man das Pressebüro am Besten erreicht, war ich schon etwas skeptisch, ob ich auch alles pünktlich schaffen werde. Aber um 18:20 Uhr stand ich im strömenden Regen vor der Adresse, wo laut eines Lageplans, den ich mir aus dem Internet gezogen hatte, das Pressebüro beheimatet sein sollte. Blöderweise hatte in dieser Lounge-Bar keiner eine Ahnung davon, was ich wollte. Nein, das Pressebüro ist hier nicht und es weiß auch keiner, wo das sein soll. Letztes Jahr, ja, da war hier was. Aber dieses Jahr? Schulterzucken. Also lief ich unverrichteter Dinge durch den Regen zur „Stadthalle“ (wie das CineSpace Multiplex hier heißt), dem Hauptveranstaltungsort der Filmtage.

Das CineStar-Kino "Stadthalle" in Lübeck

Dort fand ich dann auch den Schalter für die Akkreditierten – aber die nicht mich auf ihrer Liste. Da trat mir ja schon wieder der Schweiß auf die Stirn, doch die Situation löste sich schnell auf. Hier war nur der Schalter für die Filmschaffenden, die Presse musste zum etwas entfernter gelegenen Kolosseum. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass das jetzt zeitlich etwas knapp wird und zudem sah ich mich schon wieder durch den immer stärker werdenden Regen marschieren. Aber alle Bedenken waren umsonst. Das sehr freundliche Personal telefonierte kurz mit dem Pressebüro im Kolloseum, um mich schon mal anzukündigen und dann wurde mir noch flugs eine nette Fahrerin vom VIP-Shuttle-Service organisiert, die mich, meine Frau und unser Gepäck kurzerhand ins Auto packte und uns zum Kolloseum und wieder zurück fuhr. Okay, ich lege auf so etwas normalerweise keinen Wert, aber da die Zeit drängte und das Wetter wenig einladend war, nahm ich diesen Service gerne an und durfte mich wenigstens einmal im Leben so richtig wichtig fühlen. Das ist doch auch einmal erlaubt, oder? Danach lief alles reibungslos und wir checkten dann endlich auch in unserem Hotel (das sehr empfehlenswerte „Excellent“, gleich neben der „Stadthalle“) ein.

Im Gegensatz zu den anderen Filmfestivals, die ich kenne, konnte man als Akkreditierter seine Karten in Lübeck nicht an einem separaten Schalter abholen, sondern man erhielt sie direkt am Kinoeingang. Die nette Dame im Pressebüro sagte mir, man solle so 20 Minuten vor Vorstellungsbeginn da sein. Daran hielt ich mich auch beim ersten Film, was sich im Nachhinein als Fehler entpuppte. Ich weiß nicht, ob wirklich ein technisches Problem vorlag (wie der junge Mann am Eingang sagte) oder einfach schon alle Akkredierten-Karten weg waren. Auf jeden Fall wurde ich am Eingang kurz aufgehalten und sollte warten, da man nicht sagen könne, ob für die Akkreditierten Platz sei. Das läge daran, dass mit dem Computer was nicht stimmen würde und – so verstand ich das zumindest – die Akkrediteren-Tickets in den freien Verkauf gelangt seien und man jetzt warten müsse, ob überhaupt Plätze für die Akkreditierten da seien. Also wartete ich, während sich hinter mir eine Schlange mit Leidensgenossen bildete und an mir vorbei munter das zahlenden Publikum strömte. Natürlich sah ich die Chancen, meinen ersten Film auch wirklich sehen zu können, schwinden. Kurz vor Filmbeginn wurden wir dann ins Kino gelassen. Leider waren nur noch die Rasiersitze in der ersten und zweiten Reihe frei. Ich nahm in der zweiten Reihe Platz, reckte das Kinn in die Höhe und freute mich, dass es jetzt endlich los ging.

Der erste Film hieß „Der Himmel ist unschuldig blau“ (Himlen är oskyldigt blå) und handelt von dem jungen Martin, der in den 70er Jahren einen Ferienjob in dem Luxus-Restaurant des königlichen Yachthafen annimmt. Dort hat er aber kaum Zeit sich einzuleben, den er wird in den Diebstahl mehrere Kisten Bier verwickelt und, als er sich weigert seine Komplizen zu nennen, rausgeworfen. Allerdings macht ihm Gösta, der Restaurant-Geschäftsführer, das Angebot für ihn zu arbeiten und so findet sich der junge Mann plötzlich in Schwedens größten Drogenschmuggelring wieder. Der Film wurde durch wahre Ereignisse inspiriert, wobei die Hauptfigur des jungen Mannes, vollkommen fiktiv ist. Der Film ist auch eher eine klassische, schön erzählte „Coming-of-Age“-Geschichte, die reale Drogen-Geschichte ist Handlungselement, aber nicht die Hauptsache. Mehr geht es um die Beziehung zwischen Martin und Gösta, die ein Ersatz-Vater/Ersatz-Sohn-Verhältnis zueinander aufbauen. Und über den Verlust der Unschuld und dem Übergang zum Erwachsenwerden. Ein sehr schöner, unaufgeregter Film mit zwei guten Hauptdarstellern (Bill Skarsgård, Sohn von Stellan Skarsgård und in Lübeck auch bei dem norwegischen Oscar-Kandidaten „Simple Simon“ in der Hauptrolle zu sehen, und Peter Dalle) toller Musik und einem sehr überzeugenden Retro-Feeling. Wobei der Zeitkolorit nicht im Vordergrund steht, sondern unaufdringlich den Hintergrund ausfüllt. Was man dem Film allerdings vorwerfen muss ist die Tatsache, dass er einfach kein Ende findet. Nach dem emotionalen Höhepunkt der Geschichte, folgt ein erster Epilog, der mit einem großartigen Schlussbild endet. Denkt man, denn dann geht der Film noch 10 Minuten weiter und arbeitet noch einmal sämtliche noch offenen Handlungsfäden ab, um dann endlich mit einem unbefriedigenden Happy End zu schließen. Zu dem Zeitpunkt hat man aber längst das Interesse an den Personen verloren und schaut nur noch genervt auf die Uhr. Schade, so vergibt der Film die Chance auf ein wirklich starkes und emotional packendes Ende. So aber hinterlässt er weit weniger Eindruck, als er hätte können.

Der sehr sympathische Regisseur Hannes Holm war stand dem Publikum noch dem Publikum für Fragen zur Verfügung. Leider hatte ich meine Kamera im Hotel vergessen, darum gibt es hier keine Bilder.

Auf den zweiten Film des Abends hatte ich mich schon im Vorfeld gefreut. Der neue Film von Per Fly: „Die Frau, die von einem Mann träumte„. Hier geht es um die Starfotografin Karen, die während einer Session in Paris dem Polen Maciek, von dem sie vorher schon geträumt hatte. Sie haben eine kurze, aber heftige Affäre, dann gehen sie beide ihres Weges. Zurück in Dänemark versucht Karen, die verheiratet ist und eine Tochter hat, noch eine Annäherung Macieks per Telefon abzuwehren, dann wird sie aber mit einem neuen Auftrag nach Warschau geschickt, wo sie sich auf die Suche nach Maciek macht. Sie wird zu seiner Geliebten und immer besessener von diesem Mann, so dass sie bald erst ihren Job vernachlässigt und dann ihre Familie verlässt… Ob man den Film mag oder nicht, liegt in erster Linie daran, ob man Fly seine Geschichte einer obsessiven Liebe abnimmt oder nicht. Im Publikum hörte man viele Stimmen (hauptsächlich von Frauen), die den Film und die Darstellung der Frau, die sich immer mehr für ihren Liebhaber aufgibt und sich von ihm immer mehr erniedrigen lässt, einfach ekelhaft fanden. In der Tat sind einige Szenen, in denen sich Karen in ihrem Liebesschmerz windet oder Maciek um Liebe anbettelt, harter Tobak und würde ohne eine Schauspielerin wie die großartige Sonja Richter extrem peinlich wirken. Sonja Richter trägt dann auch den ganzen Film, dessen Drehbuch doch ab und zu etwas knirscht. So fand ich es sehr schade, dass die Ambivalenz zwischen Traum und Realität, die den Film in der ersten Hälfte noch prägen, in der zweiten Hälfte komplett aufgeben wird. Nur um am Ende wird dieses Element noch einmal kurz bemüht, als sich Karens Traum auf Maciek überträgt. Technisch kann man dem Film aber keine Vorwürfe machen. Per Fly findet wunderbare, sich in die Erinnerung eingrabende Bilder von großer Kraft. Meine Gefühle dem Film gegenüber sind immer noch sehr zwiespältig und schwanken zwischen toll gefilmtem Trash und waghalsiger Studie einer Obsession. Ein abschließendes Urteil kann ich wahrscheinlich erst fällen, wenn ich mit weniger Erwartungen den Film ein zweites Mal sichte.

Mittlerweile war es 1:00 Uhr nachts und ich schlich zurück ins Hotel, welches ja zum Glück nur wenige Meter vom Kino entfernt war. Ursprünglich war mein Plan ein Festivaltagebuch zu schreiben und sozusagen „live“ von den Nordischen Filmtagen zu berichten. Doch ausgelaugt und übermüdet war mir die Vorstellung, jetzt noch eine Stunde auf dem Notebook zu tippen, ein Grauen. Deshalb verschob ich dies auf die Zeit nach dem Festival (also jetzt) und sprang schnell ins Bett.

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