Filmtagebuch: 17. Internationales Filmfest Oldenburg – Teil 1

Wie angekündigt folgt nun hier mein ganz persönlicher Bericht vom 17. Internationalen Filmfest Oldenburg.

Ursprünglich wollte ich nur „kurz“ etwas schreiben, aber nun ist mir bereits mein erster Festivaltag letzten Samstag so lang geworden, dass ich den Artikel in zwei Teile trenne.

Hier also nun der erste Teil meines Berichtes.

Samstag, 18.9.10

Anreise

Da ich beruflich in der Woche sehr eingespannt war, konnte ich erst am Samstag zum Internationalen Filmfest in Oldenburg anreisen. Dabei begann der Tag mit einer kleinen Fehlentscheidung. Anstatt schon am späten Vormittag nach Oldenburg zu fahren und den Film in der 15:00 Uhr Vorstellung mitzunehmen, entschied ich mich dafür, die ganze Sache ruhig angehen zu lassen und erst am Nachmittag anzureisen. Schade, denn so verpasste ich den Gewinner des Publikumspreises: „The Happy Poet„. Nun ja, das konnte ich zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht wissen und die Synopsis im Programmheft hatte mich jetzt auch nicht gelockt. So kann’s kommen.

Also kam ich erst um 16:00 Uhr in Oldenburg an, lief schnell zum Pressebüro, welches unweit des Bahnhofes in der Kulturetage zu finden war und holte meinen Presseausweis ab. Zudem nutzte ich die Zeit, um mir schon mal die Tickets für die nächsten zwei Tage zu sichern. Das hatte zwar einerseits den Vorteil, dass man sich danach nicht mehr um Tickets kümmern musste (was gut war, da die drei Vorstellungen dieses Tages dann auch ausverkauft waren), andererseits musste ich mich schon gleich festlegen, was ich sehen möchte. Ich entschied mich für folgendes Programm: „Unter die die Stadt„, „Pete Smalls Is Dead„, „Mr. Nice„, „House Of Branching Love“ und „Monsters„. Ursprünglich hatte ich noch einen anderen Plan und wollte kurz nach Mitternacht noch den grandiosen „Erwachsenenfilm“ „The Opening of Misty Beethoven“ anschauen, aber das war zeitlich sehr kritisch und ich hätte im besten Falle 10 Minuten gehabt, um von der Exerzierhalle am Pferdemarkt zur Kulturetage am Bahnhof zu kommen. Den Stress wollte ich mir nicht antun und so flog Frau Beethoven aus meiner Planung raus.

Dann ging’s auf direktem Wege ins Hotel. Es war mir kurzfristig gelungen, noch ein (bezahlbares) Zimmer zu ergattern. Mein Domizil für die Nacht war das Hotel Sprenz, welches ideal am Pferdemarkt gelegen ist. Also in Spuckweite zur Exerzierhalle und dem Casablanca, wo auch die von mir ausgewählten Filme liefen. Das Zimmer war spartanisch und klein, aber sauber und absolut ausreichend für eine Übernachtung. Die Dame an der Rezeption war auch sehr freundlich und so konnte ich mich mit bester Laune ins Festival stürzen.

Unter dir die Stadt

Der erste Film auf meiner Liste war Christoph Hochhäuslers „Unter dir die Stadt“, auf den ich mich schon sehr gefreut hatte. Es geht darin um die Ehefrau eines jungen, aufstrebenden Bankers, die mit ihrem Mann aus Hamburg ins fremde Frankfurt gezogen ist. Hier beginnt sie recht bald eine zunächst noch zögerliche, dann umso intensivere Beziehung mit einem Vorstand der Bank, in der ihr Mann arbeitet. Dieser Vorstand nutzt seine Macht und seinen Einfluss, um den Ehemann nach Indonesien versetzen zu lassen, um die junge Ehefrau ganz für sich zu haben. Ich war leider sehr enttäuscht von dem Film. Zwar fängt er die sterile, kalte Welt der Banken in perfekten, absolut passenden Bildern ein – aber unter der schönen Oberfläche gibt es mehr als nur ein Problem. So stimmt die Chemie zwischen der jungen Ehefrau (Nicollette Krebitz) und dem alten Vorstand (Robert Hunger-Bühler) überhaupt nicht. Zu keiner Sekunde ist nachvollziehbar, weshalb ihm verfällt. Robert Hunger-Bühler in der Rolle des Vorstands Roland Cordes wirkt absolut souverän, aber es geht absolut nichts Faszinierendes von ihm aus. Von der „Erotik der Macht“ ist bei ihm nichts zu spüren. Gerade im Umgang mit der jungen Frau, erinnert er eher an einen traurigen Bären als an einen gerissenen Finanzhai. Weshalb also die Krebitz ihm ohne zu Zögern ins Hotelzimmer folgt, ist nicht zu verstehen. Insbesondere da sie im Laufe der Handlung immer wieder betont, wie sehr sie doch ihren Ehemann liebe und brauche. Vielleicht hat auch Hochhäusler gespürt, dass die Geschichte hier knirscht und hat als Schmiermittel noch einige bizzare Details eingefügt. So lässt der Vorstand sich von seinem Chauffeur Sessions arrangieren, bei denen er Junkies bei Fix zusieht. Die junge Frau bekommt noch eine Drogenvergangenheit hinzugedichtet und im Hintergrund läuft noch eine Geschichte, um den in Indonesien grausam ermordeten Vorgänger auf der Stelle, die Krebitz‘ Ehemann antreten soll. Für meinen Geschmack ist das dann zuviel. Eine Reduktion auf die oberflächliche und machtbessene Welt in den Managementetagen über der Stadt hätte vollauf genügt. Das klischeebeladene Beiwerk lenkt ab und wirkt eher lächerlich. Schade.

Robert Hunger-Bühler und Nicolette Krebitz in Christoph Hochhäuslers "Unter dir die Stadt"

Pete Smalls Is Dead

Auch mit dem zweiten Film („Pete Smalls Is Dead“) hatte ich nicht viel Glück. Vorweg gab es aber noch einen us-amerikanischen Kurzfilm namens „Sunday Punch„. Hierbei handelt es sich um ein Tarantino-Rip-Off, das optisch und handlungstechnisch stark an dessen „Death Proof“ erinnert. So ist „Sunday Punch“ also eine Hommage an eine Hommage an das Drive-In-Kino der 70er. Wobei es den Anschein macht, dass der Regisseur sich nicht an den Originalen orientiert (so er sie denn überhaupt kennt), sondern eben an zeitgenössischen Filmen, die mit den „klassischen“ Exploitation Elementen spielen. Zumindest ist der Film kurz, mit einer recht ansehnlichen Hauptdarstellerin besetzt und – wenn schon nicht sonderlich originell – auch nicht langweilig. Der Regisseur Dennis Hauck war auch anwesend und sichtlich glücklich über die Einlandung zum Filmfest Oldenburg.

Alexandre Rockwell leitete dann seinen Film „Pete Smalls Is Dead“ ein und stand danach noch zusammen mit seinem Hauptdarsteller (einem etwas mürrischen und lustlos wirkenden) Peter Dinklage für Fragen und Antworten zur Verfügung. Leider ist „Pete Smalls“ kein besonders guter Film. Eine typische US-Indie-Komödie, die leider krampfhaft auf „Kult“ und „irre“ gestrickt ist. Seinen Schluss-Gag gibt der Film bereits mit der Besetzung des „toten“ Pete Smalls preis. Tim Roth – der mit Rockwell schon bei dessen „Four Rooms„-Episode zusammengearbeitet hat – zieht hier etwas ab, was jenseits von overacting liegt. Grausig. Auch Steve Buscemi kann nicht punkten. Einfach diesen „Kult“-Schauspieler in eine lustigen blonden Locken-Perücke und merkwürdig-unpassende Klamotten zu stecken, macht noch kein „Kult“ und ist auch nicht besonders witzig. Einzig Hauptdarsteller Peter Dinklage kann überzeugen. Lässt er sich doch stoisch und cool durch den, um ihn herum inszenierten, Wahnsinn treiben. Der Film hat einige nette Einfälle, aber hat keine echten Figuren, sondern bestenfalls Abziehbilder aus besseren Filmen (z.B. wirkt Dinklages Sidekick Mark Boone Junior wie eine Verschmelzung von dem „Dude“ und John Goodmann aus „The Big Lebowski„). So hinterlässt der Film dann auch den bitteren Beigeschmack, dass hier etwas mühsam auf „Kult“ und „skurril-witzig“ getrimmt werden sollte – und das kommt bei mir immer schlecht an.

Interessanterweise meldete sich in der Q&A-Runde nach dem Film ein junger Mann aus dem Publikum zu Wort, der Rockwell für diesen Film dankte und sagte, dass die „einer der besten Filme gewesen sei, den er seit Jahren gesehen hätte, vielleicht der beste Film überhaupt“. Da graust es mir doch und ich möchte gar nicht wissen, was der sich sonst so anguckt. Letztendlich habe ich mich geärgert, dass ich überhaupt diesen Film gewählt habe, wo ich doch nur ein paar Schritte weiter auch „The Mosquito Net“ hätte sehen können.

Peter Dinklage und Mark Boone Junior in Alexandre Rockwells "Pete Smalls Is Dead"

Mr. Nice

Durch Vorfilm und Frage-Runde war es mittlerweile so spät geworden, dass ich mich sehr beeilen musste, um das Kino zu wechseln, und in das keine 100 Meter entfernte „Casablanca“ zu hasten. Gerade noch rechtzeitig, denn wie schon die beiden Vorstellungen zuvor, war auch diese restlos ausverkauft. Hier gab es das britische Bio-Pic „Mr. Nice“ zu sehen, welches sich mit dem Leben des größten britischen Drogenschmugglers aller Zeiten beschäftigte: Howard Marks. Eigentlich sollte diese schillernde Gestalt auch bei der Vorführung anwesend sein, musste aber überraschend am morgen abreisen. Ein Zuschauer neben mir raunte: „Der ist bestimmt wieder auf der Flucht“.
Der Film hat mir sehr gut gefallen. Er fängt gut die Atmosphäre im Swinging London der 60er bis in die Gegenwart ein und liefert in der Montage mit zeitgenössischen Originalaufnahmen und einem schönen Soundtrack ein angenehmen Zeitkolorit. Mit Rhys Ifans besitzt die interessante und spannende Geschichte auch einen idealen Hauptdarsteller, der die coole Arroganz und Selbstüberschätzung, aber auch das Verletzliche in Howard Marks zum Vorschein bringt. Einzig am Anfang wirkt Rhys Ifans etwas befremdlich, wenn er den sehr jungen Howard Marks spielt und dabei sein Alter (Ifans ist 42) nicht im Mindesten kaschiert wird. Überhaupt scheint Marks in dem Film nicht zu altern. Möglicherweise eine bewusste Entscheidung von Regisseur Bernard Rose, denn der Film wird ganz aus Marks Perspektive erzählt (und beruht auf seiner Autobiographie) – ist also völlig subjektiv und wir wissen nicht, inwieweit Marks überhaupt ein verlässlicher Erzähler ist. Vielleicht wollte Rose durch diesen Trick andeuten, dass die Geschichte, die er erzählt, vielleicht nur die beschönigenden Erinnerungen des „alten“ Howard Marks sind. Wie dem auch sei, ein guter Film mit einem überzeugenden Hauptdarsteller, der über seine zwei Stunden Laufzeit niemals langweilt.

Rhys Ifans in Bernard Roses "Mr. Nice"

Rhys Ifans in Bernard Roses "Mr. Nice"

Mittlerweile war es dann auch 0:45 Uhr geworden. Ich verwarf das Vorhaben, noch irgendwo einen kleinen Absacker zu nehmen und ging direkt ins Hotel rüber. Dort versuchte ich noch ein paar Seiten zu lesen, aber dann übermannte mich doch sehr schnell der Schlaf .

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