Interview mit Felix Stienz (Regisseur von „Betty B. and the The’s“)

In der letzten Woche schrieb ich hier eine Rezension des Kurzfilmes „Betty B. and the The’s“.

Mittlerweile hatte ich auch die Gelegenheit mit Felix Stienz, dem Regisseur des Films, ein Online-Interview zu führen.

Natürlich hat mich hier insbesondere die Verbindung nach Bremen, die Dreharbeiten hier und der Kontakt mit der Bremischen Kurzfilmszene interessiert.

Ich möchte mich vorab herzlich bei Felix Stienz bedanken, dass er sich die Zeit genommen hat, meine Fragen so ausführlich und interessant zu beantworten.

Ebenfalls möchte ich mich bei Marcus Forchner (Produktion) bedanken, über den der erste Kontakt lief.

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Filmforum Bremen: Vielen Dank Felix, dass Du Dir etwas Zeit für das Interview genommen hast. Ich fange gleich mal mit der berühmten Frage nach der Henne und dem Ei an: Was war erst da? Die Geschichte oder die Idee einen Film im Kaurismäki-Stil zu drehen?*

Felix Stienz: Zuerst gab es DIE Hauptdarsteller! Mit Bomber (Tobi B.) haben wir schon mehrere Kurzfilme gedreht. Er ist ist ein guter Freund und gehört einfach vor die Kamera. Dabei ist er nicht einmal Schauspieler. Für ihn selbst ist die Schauspielerei auch eher ein Jux, der ihm aber sehr viel Spaß bringt.

Bomber kam eines Abends zu einer Party und brachte „einen Kumpel“ mit. Da standen sie vor mir: Er, der Kleine und SIE, die Riesin! Ein Wahnsinnsbild, das natürlich alle sofort beeindruckt hat. Wenn die beiden nebeneinander stehen, kann einfach niemand wegsehen! In dieser Sekunde war mir eigentlich klar, dass wir einen Film mit den Beiden machen werden. Zum Glück ist Maluse Konrad (Betty B.) auch noch ein unglaublich cooles Mädchen, dass sich auf diesen ganzen Quatsch eingelassen hat. 😉

Etwa eine Woche nach diesem Treffen, war das Drehbuch fertig. Also sehr schnell geschriebene 6 Seiten, an denen aber bis zum Drehstart auch nicht mehr sonderlich viel rumgeschraubt wurde. Beim Schreiben hatte ich zunächst nicht geplant das ganze als Kaurismäki Hommage zu gestalten. Diese Idee kam später, als auch die drei Zeilen Dialog aus dem Buch gestrichen wurden.

Plötzlich gab es keinen Dialog mehr! Und dann gab es da schon immer diese Faszination für Aki Kaurismäki. Ich finde es bemerkenswert, dass wenn man nur eine Sekunde von einem Kaurismäki-Film sieht, man sofort erkennt: Das ist ein Aki Kaurismäki! Woran liegt das? Wie machen diese Finnen das? Das waren unsere Fragen. Und die Geschichte zweier in der Gesellschaft gescheiterten Aussenseiter, die zueinander finden – das war einfach prädestiniert dafür, das Ganze in eine Kaurismäki-Ästhetik zu packen.

Dazu kommt auch noch, dass weder Tobi B. noch Maluse Konrad (gelernte) Schauspieler sind. Maluse stand vor Betty B. noch nie vor der Kamera. Und da es in Kaurismäki-Filmen diese besondere Art des (Nicht)Spielens gibt, passte das auch perfekt zusammen.

FFB: Wer hat Euch bei der Gestaltung des Filmes noch besonders geholfen?

FS: Mit Lynne Linder (Kamera) hatte ich einen perfekten Mann hinter der Kamera für dieses Projekt. Lange suchen musste ich ihn nicht. Wir haben schon einige Filme zusammen gedreht und Lynne ist großer Aki Kaurismäki Fan. Dazu kam die fantastische Ausstatterin Heike Lauer-Schnurr, aus Bremen übrigens, die mit ihrer Arbeit einen großen Anteil an der schönen Bildgestaltung hat.

FFB: Wie seid Ihr gerade auf Bremen als Drehort gekommen? War das ein Zufall oder doch eine ganz bewusste Entscheidung?

FS: Bremen war auf jeden Fall eine bewusste Entscheidung. Und das, obwohl niemand von uns vorher schon einmal dort war. 😉

Aki Kaurismäkis Filme spielen meistens in Helsinki oder anderen großen Hafenstädten. Und dann haben wir überlegt, wo man das in Deutschland machen kann. Wir haben uns bei den Überlegungen auch bewusst gegen Hamburg entschieden. Und sind so im wunderschönen Bremen gestrandet. Eine große Rolle hat dabei natürlich auch die Finanzierungsmöglichkeit durch die Nordmedia gespielt. Das hat ja zum Glück auch alles geklappt.

FFB: Wie hat es Euch denn dann in Bremen gefallen?

FS: Bremen hat auf jeden Fall einen Eindruck hinterlassen. Bei uns allen. Die Vorbereitungszeit und die Dreharbeiten, mit 7 Drehtagen, konnten wir in Bremen richtig genießen. Bremen ist eine schöne, abwechslungsreiche Stadt, in der man, glaube ich, so fast alles drehen kann – bis auf ein Wüstendrama, oder so. Es gibt Hafen, es gibt das Viertel, es gibt gute Kneipen und vor allem gute Leute, mit denen man in die guten Kneipen gehen kann. Und vor allem aber auch sehr gut zusammen arbeiten.

FFB: Worauf man natürlich immer besonders neugierig ist, sind die Anekdoten vom Dreh. Gab es denn bei Euch irgendwelche besonderen Vorkommnisse während der Dreharbeiten in Bremen?

FS: Bei so Dreharbeiten ist ja eigentlich immer alles besonders. Aber was ich in Bremen auffällig fand, waren die positiven Reaktionen. Auch von fremden Menschen, auf uns und auf unsere Dreharbeiten. Wenn man z.b. in Berlin dreht, kommt es doch häufig vor, dass man angemault wird mit Sprüchen wie „Scheiß Filmteams“ oder dass die Leute von „diesen Filmleuten“ schnell genervt sind. Das kommt natürlich daher, dass in Berlin einfach jeden Tag irgendwo, irgendwas gedreht wird. In Bremen waren die Leute lässig. Sie haben gegrüßt, interessiert nachgefragt und uns keine Steine in den Weg gelegt – oder mit Flaschen nach uns geworfen, was in Berlin schon passiert ist. Abgesehen von den zwei Idioten die, als wir am letzten Drehtag am Schlachthof gedreht haben, Bombers Bus aufgebrochen und ausgeraubt haben, war allet super in Bremen.

FFB: Hattet Ihr denn auch Hilfe aus der lokalen (Kurz)Filmszene? Und wenn ja, wie sah die aus?

FS: Wir hatten großartige Unterstützung in Bremen.

Zum einen die Nordmedia, die uns wirklich mit offenen Armen empfangen hat. Annette Unger aus dem Bremer Büro hat ganze Arbeit geleistet. Durch sie kamen die Kontakte zu den Bremer Teammitgliedern (Heike Lauer-Schnurr – Ausstattung, Sandra Fuhr – Kostümbild) zustande. Wir hatten immer das Gefühl, dass man uns gerne in Bremen hat – und das hat viel mit der Nordmedia und Annette Unger zu tun, die überall, wo es ging, vermittelt und geholfen haben.

Auch der Kontakt zu unseren Technikpartner in Bremen wurde uns über die Nordmedia und Annette Unger vermittelt: Sven Kiesche, M-Medienproduktionen war ein sehr wichtiger und professioneller Partner für unseren Dreh. Bei ihm haben wir den kompletten technischen Support für unseren Dreh bekommen. Dazu professionelle Beratung und ein Produktionsbüro für den Drehzeitraum. Sven Kiesche hat uns ein sehr gutes Angebot gemacht, durch das es uns möglich war den Film auf der 4k Kamera RedOne zu drehen. Den Kameraassistenten Ole von Oehsen gab es von M-Medienproduktionen noch oben drauf.

Ein weiterer Partner für unseren Film war das Bremer Bühnenhaus. Die Ausstatterin und die Kostümbildnerin hatten schon jahrelange Kontakte zum Bühnenhaus und so konnten wir für unseren Film den Ausstattungs- und Kostümfundus benutzen.

FFB: Wow, das klingt wirklich super. Eine musikalische Frage hätte ich noch. Die Band HISS und ihre Musik passt wie die Faust aufs Auge für den Film. Wie kam hier der Kontakt zustande?

FS: HISS  ist eine alte Liebe. 😉

2005 war ich Regieassistent bei einem Langfilmprojekt in Baden-Würtemberg. Heiner Behring, der Produzent, Autor und Regisseur dieses Films („Zur Sonne“), war früher mein Professor an der Hochschule in Offenburg. Er drehte in einem kleinen Ort mitten im Schwarzwald einen lakonischen Film mit seltsamen Figuren und mit HISS. Fünf Wochen hingen wir also in einem Hotel zusammen rum, haben gedreht, haben musiziert, getrunken und geredet. Da lernt man sich kennen. Schon damals war klar, dass ich mit denen irgendwann einen Film machen will.

Der Kontakt blieb stabil, wir besuchten Konzerte und hielten uns immer auf dem Laufenden. Für den Film „Betty B. & the The’s“ kam dann auch keine andere Band in Frage als HISS! Ich habe Stefan Hiss angerufen und gefragt, ob die Band Bock drauf habe. Sie hatten. Stefan hat die Musik geschrieben, ich den Fantasietext für Betty B. und da hatten wir dann: Betty B. & the The’s (oder the HISS)).

HISS als Band ist wirklich nur jedem zu empfehlen. 2005 war ich zunächst auch abgeschreckt vom Genre „Polka’N’Roll“ und das Ganze auch noch mit deutschen Texten. Aber es ist große Kunst. Sehr gute Musik mit tiefen Texten und die Konzerte sind allergrößte Unterhaltung. Wer sich informieren möchte, der sei mal auf die Homepage der Band www.hiss.net schauen.

FFB: „Betti B. and the The’s“ tourt ja gerade über zahlreiche internationale Festivals und hat auch bereits einige Preise gewonnen. Wo kommt er denn besonders gut beim Publikum an und wird man in nächster Zeit vielleicht auch die Gelegenheit haben, ihn in Bremen oder Umgebung zu sehen?

FS: Ja, es ist wirklich ein schöner Erfolg, dass der Film weltweit unterwegs ist. Über 60 Festivals haben ihn schon gezeigt und ich denke, da kommen noch ein paar mehr hinzu. Wo der Film besonders gut funktioniert, kann man gar nicht sagen. Es tut dem Film natürlich gut, dass er ohne eine richtige Sprache gedreht wurde und somit auf der ganzen Welt verstanden wird. Die meisten Festivals hatten wir in Deutschland, Italien und Frankreich bisher. Aber auch in Osteuropa wurde er viel gezeigt. Außerhalb Europas lief die Betty schon in Argentinien, den USA, Puerto Rico, Kanada und auf einer kleinen 5-Städte-Tour in Australien.

Bremen fehlt erschütternderweise leider auf der Städteliste! Bisher. Wir haben eine Menge um die Ohren, so dass wir bisher leider noch keine Aufführung in Bremen organisieren konnten. Aber das kommt auf jeden Fall in diesem Herbst noch. Ich denke wir werden eine Aufführung in einem Bremer Kino machen, alle Bremer Teammitglieder einladen und nochmal auf den Film anstoßen. Wann und wo genau, wissen wir jetzt noch nicht. Vielleicht hat ja jemand einen Tipp für uns? Wir geben auf jeden Fall nochmal Bescheid, wenn es soweit ist.

FFB: Das wäre super. Jetzt kommen wir auch schon zum Ende. Ich habe gehört, Ihr arbeitet ja gerade an Eurem Langfilmdebüt, welches auch in Bremen produziert werden soll. Könnt Ihr da schon etwas mehr zu erzählen?

FS: Ja, wir stecken in der Vorproduktion zu unserem ersten Langspielfilm „Europe & Bomber“(AT). Ein Roadmovie zwischen Berlin und Paris über eine blinde Französin (Europe), die sich schwanger auf die Suche nach dem in Berlin lebenden Vater begibt. Und Bomber (Tobi B.) der auf seiner letzten Fahrt als Kurier Großes plant und seinen Chef übers Ohr hauen will – dabei natürlich scheitert. Ein Film, der viele Themen behandelt: Liebe, Naivität, Lebensfreude, Familie und vieles mehr. Das Ganze mit vielen, vielen herrlich absurden Figuren und Situationen.

Wir produzieren den Film auch wieder selbst (mit unser eigenen Produktionsfirma Strangenough Pictures), zusammen mit One Two Films aus Bremen und Berlin und in Koproduktion mit dem ZDF – das kleine Fernsehspiel.

Die Erfahrungen, die wir mit Betty b. in Bremen machen durften, treiben uns wieder zurück in die Hansestadt. Ein erneute Zusammenarbeit mit Sven Kiesche und M-Medienproduktionen ist schon unter Dach und Fach. Wir beantragen auch wieder Förderung bei der Nordmedia und planen, wieder mit dem Bremer Bühnenhaus zusammen zu arbeiten.

Wir wollen vieles in Bremen drehen. U. a. werden wir ein Studio in Bremen bauen, in dem wir die Autofahrten drehen und zwei Wohnungen aufbauen werden.

Wir haben ein sehr gutes Gefühl nach Bremen zurückzukommen, nach all den guten Erfahrungen. Ich freue mich schon jetzt auf die Zeit in Bremen. Diesmal sind wir auch länger da – denn wir drehen mindestens 14 Tage dort. 😉

FFB: Vielen Dank für das Interview. Ich wünsche Euch weiterhin viel Glück mit eurem Kurzfilm „Betty B. and the The’s“ und drücke Euch natürlich auch schon mal ganz fest die Daumen für Euer neues Projekt.

Felix Stienz bei den Dreharbeiten zu "Betty B. and the The's"

Felix Stienz bei den Dreharbeiten zu "Betty B. and the The's"

Felix Stienz wurde 1982 in Berlin Friedrichshain geboren. 2006 war er Gründungsmitglied des Vereins für Kurzfilmvorführungen in ganz Europa „strange shorts e.V“.

Seit 2007 ist er in verschiedene medienpädagogische Projekte mit Jugendlichen involviert.

2009 wird er für seinen Film „Antje und wir“ für den Deutschen Kurzfilmpreis nominiert. Dies ist bereits seine 50. Auszeichnung insgesamt.

Filmographie:

Betty B. & the The’s (2009), (Buch, Regie, Produktion, Montage)

meeting Laura (2009), (Buch, Regie, Produktion, Montage)

Mädchensachen (2008), (Buch, Regie, Montage)

Nenn mich einfach Tobi B. (2008), (Buch, Regie, Montage)

Antje und wir (2007), (Buch, Regie, Produktion, Montage)

Ladenhüter (2007), (Buch, Regie, Produktion, Montage)

Rolledüsch (2006), (Regie)

Der Jäger (2006), (Buch, Regie, Produktion, Montage)

2minuten (2005), (Buch, Regie, Produktion, Montage)

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