Rezension: „Auge in Auge – eine deutsche Filmgeschichte“

Am gestrigen Sonntag wurde im Kino 46 der Film „Auge in Auge – eine deutsche Filmgeschichte“ gezeigt. Hans Helmut Prinzler, 16 Jahre Vorsitzender der Stiftung Deutsche Kinemathek und 6 Jahre Leiter des Filmmuseums in Berlin, sowie Co-Regiesseur von „Auge in Auge“, war anwesend, führte kurz in den Film ein und stand danach dem Publikum noch für Fragen zur Verfügung.

Der Film „Auge in Auge“ möchte eine deutsche Kinogeschichte erzählen. Die Betonung liegt hier auf „eine“, denn natürlich kann man nicht 120 Jahre Deutsches Kino in 105 Minuten pressen. Diesen Anspruch, das betonen die Filmemacher gleich zu Beginn des Filmes, hat man auch gar nicht. Durch das selektiv-subjektive Vorgehen der Macher findet das geneigte Publikum nun natürlich überall Lücken und Auslassungen. So fand ich es z.B. sehr schade, dass der deutsche Unterhaltungsfilme mit seinen Karl-May und Edgar-Wallace-Verfilmungen oder der deutsche Exploitationfilm gerade einmal in sekundenschnellen Ausschnitten abgehandelt wurden, obwohl sie drei Jahrzehnte lang prägend und höchst erfolgreich waren. Der „Neue Deutsche Film“ verstand sich ja auch als Gegenbewegung zu „Opas Kino“.

Die beiden Filmemacher konzentrieren sich in Ihrer Vorangehensweise auf die Filme, die sie selber für unbedingt wichtig für den Deutschen Film halten. Sie erzählen also wirklich nur eine, nämlich ihre, Geschichte des Deutschen Filmes. Somit ist die Auswahl der vorgestellten Filme für den Interessierten relativ überraschungsfrei. Murnau („Nosferatu„), Lang („M„), Käutner stehen für das Kino bis 1945, Wenders, Fassbinder für das „Neue Deutsche Kino“, stellvertretend für den Film aus der DDR wird „Solo Sunny“ vorgestellt.

Zum Konzept des Filmes gehört es, zehn bedeutende Persönlichkeiten des Deutschen Filmes (u.a. Michael Ballhaus, Tom Tykwer, Andreas Dresen, Christian Petzold und der unvermeidliche Wim Wenders) ihren „Lieblingsfilm“ vorstellen, wodurch auch gleichzeitig ein chronologischer Abriss herausragende Beispiele für den Deutschen Film der letzten 120 (eigentlich 85, da der erste – „Nosferatu“ – von 1922 stammt) darstellen. Dabei ist die Qualität der prominenten Beiträge allerdings recht unterschiedlich. Wim Wenders klingt als ob er Alexander Kluge parodieren möchte, Christian Petzold erzählt recht umständlich (ganz im Gegensatz zu der präzisen Sprache seiner eigenen Filme) über „Unter den Brücken“ und Michael Ballhaus erklärt zum x-ten Mal, wie es zu der berühmten 360 Grad Kamerafahrt in „Martha“ kam. Erfrischend dagegen die Beiträge von Dresen, Graf und Kohlhaase.

Zwischen diesen Hauptblöcke eingestreut sind Kapitel zu einigen zentralen Themen, wie z.b. dem Film unter der nationalsozialistischen Herrschaft, in der DDR oder auch nur „Blicke im Deutschen Film“, Schreie oder Küsse. Gerade diese Zusammenschnitte kurzer Szenen machen viel Spaß, da sich die „Experten“ hier freuen können, wenn sie erkennen, welche Filme hier und dort reingeschnipselt wurden.

Ausgesprochen charmant ist die Idee, die Kapitelüberschriften des Filmes als Werbung an alten Kinos in ganz Deutschland zu zeigen. Das Spektrum reicht vom Berliner Kinopalast am Zoo bis hin zu einem baufälligen Schuppen, irgendwo auf einer Alm.

Auch positiv anzumerken ist, dass zumindest Käutner mit einem eher unbekannteren Film („Unter den Brücken“) repräsentiert wird und Dominik Graf über Klaus Lemkes Kultfilm „Rocker“ referiert. Wie der Co-Regisseur in der Diskussionsrunde nach dem Film mitteilte, war dies ursprünglich nicht geplant gewesen, aber Graf hätte sich vehement für diesen Film eingesetzt.

Insgesamt ein netter, wenn auch recht konservativ gemachter Film, welcher natürlich nicht die gesamte Deutsche Filmgeschichte ausführlich abhandeln kann, aber auch gar nicht mit diesem Anspruch angetreten ist. Für diejenigen, die sich mit der Deutschen Filmgeschichte noch gar nicht oder nur ein bisschen beschäftigt haben ein gelungener Einstieg. Denjenigen, die sich schon näher mit der Materie auseinandergesetzt haben, erzählt er nichts Neues, macht aber großen Appetit darauf, mal wieder auf der großen Leinwand oder im Puschenkino einen Deutschen Film zu genießen.

Zwei Anmerkungen noch zum Schluss:

Wie der Prinzler erzählte, war das Projekt erst als 10-teilige TV-Serie geplant. Leider fand sich bei keiner Sendeanstalt jemand, der dafür Sendezeit zur Verfügung gestellt hätte. So traurig ist es mittlerweile um den „Bildungsauftrag“ der öffentlich-rechtlichen Sender bestellt. Ich finde dies sehr beschämend.

Der Film läuft in dieser Woche noch zweimal im Kino 46. am Di. und am Mi., jeweils um 20:30 Uhr.

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